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Beitrag vom 26.02.2005
Streit um Stolpersteine
Sarah Ross
Deutschlandweit erinnern die zehn mal zehn Zentimeter großen Messingplatten an Jüdinnen und Juden, die von den Nazis deportiert wurden – ausgenommen im Berliner Stadtteil Charlottenburg-Wilmersdorf.
Seit 1997 erinnert der Kölner Künstler Gunter Demnig mit seinen Stolpersteinen an jüdische NachbarInnen, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Insgesamt wurden mehr als 5.000 Steine in vielen deutschen Städten ins Straßenpflaster eingelassen – direkt vor den Eingängen der deportierten Menschen. Mehr als 700 solcher Stolpersteine liegen auch in den Berliner Bezirken. In Mitte, Friedrichshain, Kreuzberg, Reinickendorf und Tempelhof-Schöneberg.
Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ist das Projekt Demnigs nun eingestellt worden. Als Grund gibt der Bezirksbaustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) an, dass die Steine eine Rutschgefahr für die BürgerInnen darstellen, was dazu führen könnte, dass eine Reihe von BürgerInnen den Bezirk verklagen.
Einziger Kompromiss, der dem Künstler seitens des Bezirks angeboten wurde war, die Steine nicht in der Mitte des Bürgersteigs oder vor einem Eingang zu verlegen, sondern maximal 40 Zentimeter von der Hauswand entfernt. Doch Demnig, der für seine Idee mit dem "German Jewish History Award" ausgezeichnet wurde, lehnte dies ab: Sinn des Projekts sei es, dass die Leute über die Steine "stolpern", sie durch das Betreten blank polieren und nicht, dass sie in der "Hundepißrinne" stumpf und unansehnlich werden.
Auch gegenüber Wolfgang Knoll, dem ehrenamtlichen Ansprechpartner für alle, die in Charlottenburg-Wilmersdorf einen Stein verlegen wollen, zeigt sich Gröhler nicht kooperativ: Knoll sollte selbst für jeden Stolperstein eine Haftpflichtversicherung abschließen, um Ausrutschopfer abzusichern, damit der Bezirk, oder Gröhler selbst, nicht haften müsse. Zu Recht stellt sich Knoll die Frage, was er den Angehörigen der Opfer sagen soll: Dass die deutsche Bürokratie, die zur Ermordung der Juden führte, nun auch das Gedenken an sie verhindert? Gröhler wandte sich nun an die Stadtentwicklungsbehörde, die sich um eine berlinweite Verordnung der Stolpersteine kümmern soll. Dort heißt es, dass der Antrag ernst genommen und geprüft werden wird.
In einem offenen Brief an Gröhler weist die Juristin Sophie-D. Fleisch aus Lauterbourg auf acht ihrer Familienmitglieder hin, die von den Nazis ermordet wurden, und in Charlottenburg-Wilmersdorf wohnten: "Sie, Herr Gröhler, verhindern mit ihrer absurden Argumentation der „Rutschgefahr der Stolpersteine“ die Verlegung meiner Ersatz-Grabsteine". Frau Fleisch macht in ihrem Brief deutlich, dass Gröhler den Ermessenspielraum des Verwaltungsrechts zu Lasten der Ermordeten ausnutzt, und dass er sich gegen den Gleichheitsgrundsatz wendet, der besagt: Gleiches muss gleich behandelt werden, "also ein Stolperstein in Wannsee gleich mit einem Stolperstein in Charlottenburg-Wilmersdorf…denn es ist eine Stadt".
Mit seiner Entscheidung und dem Versuch, seine Verantwortung auf andere abzuwälzen, spielt Gröhler nicht nur den Neonazis in die Hände, die z. B. die Gedenksteine für Else Hahn und Alfred Werthahn in der Württembergischen Straße unwiederbringlich heraus gebrochen haben, sondern er demontiert zudem den Ruf Berlins und damit Deutschlands.
Informationen zum Projekt finden Sie unter www.stolpersteine.com